BAUMSCHEIBEN
GESTALTUNGSINSELN UNTER BÄUMEN
TEXT: DANIEL BÖSWIRTH | FOTO (HEADER): WWW.GARTENFOTO.AT
Auszug aus:
GARTENDESIGN INSPIRATION
Das Magazin für Gartengestaltung und Gartengenuss
Ausgabe 1|2018
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Sie sind allgegenwärtig in der Garten- und Landschaftsgestaltung und stehen dennoch sehr prominent im Fokus: Baumscheiben, gebaute Pflaster- oder grüne Pflanzinseln unter Bäumen. Welcher Rahmen passt am besten, welche Form spricht am meisten an, und welches Material ist das geeignetste? Bleibt noch die Frage der Oberflächengestaltung, deren Möglichkeiten sich durch innovative Ideen jährlich vervielfältigen.
Einheitliche Pflasterflächen werden gerne durch Bäume aufgelockert und Baumscheiben daher von vornherein mit eingeplant. Diesen Bereichen unter Bäumen sollte in der Gestaltung besonderes Augenmerk geschenkt werden. Sie sind einerseits die „Ausgesparten” einer Gesamtfläche und gelten als schwierig zu begrünende Bereiche; andererseits stehen sie als „Inseln” immer im Blickpunkt. Ihre Form muss daher gut überlegt sein und sich auch hinsichtlich anderer markanter Linien, zum Beispiel denen eines Wasserbeckens, Weges oder Mauerverlaufes, gut ins Gesamtkonzept der Gestaltung einfügen. Neben Kreis, Quadrat und Rechteck ist die Ellipse eine gängige und beliebte Form. Interessant sehen unregelmäßige Aussparungen in Pflasterflächen mit Plattenbelägen im Reihenverband aus. Eine kegelförmige Erhöhung des Bodens, auf deren abgeschnittener Fläche oben am Stumpf eine Baumscheibe samt Baum thront, ist eine eigenwillige und originelle Lösung.
LICHT UND WASSER
Bei der Planung von Baumscheiben sind technische Einbauten wie eine Versorgungsleitung für die Tröpfchenbewässerung oder ein Stromanschluss von Anfang an zu berücksichtigen. Nicht nur an den perfekten zentralen Ort für eine Steckdose sollte man dabei denken, sondern auch an die Platzierung von Lichtquellen. Besonders malerische, schöne Bäume wie beispielsweise die vielen Spielarten des Gartenbonsais (Niwaki) gewinnen am Abend an Wirkung, wenn sie durch Spots von unten beleuchtet werden. So verschwinden sie nicht in der Dämmerung, sondern tauchen erneut auf und stehen in der Dunkelheit konkurrenzlos als Solitäre im Garten.
Eine tiefgründige Lockerung mit bodenverbessernden Stoffen ist die Basis für gesundes Wachstum. Sinnvoll ist es, auch gleich einen Drainageschlauch spiralförmig mit einzugraben. So können Wasser-, aber auch Düngergaben effizient über das Rohr geleitet werden. Befindet sich die Baumscheibe in einer Rasenfläche, so sollte bei der Begrenzung auf eine Niederbordeinfassung geachtet werden. Das erleichtert das Mähen der Ränder enorm.
OFFEN ODER VERDECKT
Erlesene Einzelstücke schöner Solitärbäume sehen in Kombination mit markanten Baumscheiben noch besser aus. Oft ist es besser, sie mit schlichten Abdeckmaterialien wie Schieferplättchen, Bruchsteinen, Splitt oder Flusskiesel zu befüllen, als sie zu bepflanzen. Das einfache Arrangement ist zurückhaltend und erfüllt doch den Zweck einer Mulchabdeckung, die mit dem gleichen oder einem ähnlichen Material wie dem des Pflasters geschickt harmoniert. Es gibt schöne Abdeckgitter oder Platten, doch haben sie im Privatgarten, anders als im öffentlichen Raum, mehr Zierwert als Funktion. Die Gefahr der permanenten Bodenverdichtung durch Tritte ist im Garten nicht gegeben. Doch vermeidet man durch Gitter allzu große offene Stellen in einer auf Geschlossenheit bedachten Pflasterdecke. Zu bedenken ist dabei, dass exponierte Metallgitter zur Vereisung neigen, was eine erhöhte Sturzgefahr mit sich bringt.
DAS PASSENDE MATERIAL
Individuell gepflastert werden können die Einfassungen von Baumscheiben mit allen nur erdenklichen Materialien. Naturstein, Holz, Klinker, Beton(stein) oder auch ungewöhnliche Lösungen wie Edel- oder Cortenstahl sind möglich. In vielen Fällen nimmt man für die Einfassung keinen Wechsel vor, sondern greift auf ein bereits an anderer Stelle verwendetes Material zurück. Möchte man etwa ein schön geschwungenes Gusseisengitter haben, so macht es natürlich Sinn, auch beim Baumschutzgitter oder dem Bodenrahmen dabei zu bleiben.
Eine relativ neue Entwicklung sind Epoxy-Kies-Lösungen. Sie sind durchlässig: Eine Versickerung von 40 Liter pro Quadratmeter wird von den Herstellern angegeben. Abzuwarten bleibt, in welchem Ausmaß sich die Poren über einen längeren Zeitraum durch den Eintrag von Schmutz verschlämmen. Bei Epoxy-Kies-Lösungen kommt ein ähnliches Verfahren zum Einsatz wie bei der Herstellung von Kunstharzfugen im Pflasterverband. Im Prinzip wird das zu verbindende Material (zum Beispiel Splitt, Kies oder Bruchsteine) mit einem Zwei-Komponenten-Kunstharz vermengt, so dass es binnen Minuten zu einer Polymerisation kommt. Wichtig für den Einsatz bei Baumscheiben ist, dass es sich um ein plastisches Harz wie etwa Aquaforest® Stone Fix handelt, das flexibel ist und Wachstumsbewegungen mitmachen kann. Dennoch kommt es auch hier über die Jahre zu Brüchen im Belag, die unschön aussehen. Eine Erneuerung ist relativ aufwändig, verglichen mit losen Abdeckmaterialien.
SYNERGIEN NUTZEN
Ein Baum muss nicht zu ebener Erde gepflanzt werden. Erhoben auf etwa 60 Zentimeter, hat man eine weitere Option: eine Baumbank zu integrieren. Unter Bäumen zu sitzen, ist im frühlingshaften Blütenmeer etwas sehr Verlockendes, ebenso, wie den Sommer unter dem aufgespannten Kronendach zu genießen. Aufgemauert aus Trockenmauersteinen oder Klinker, könnte die Baumscheibe eine weitere Funktion erfüllen, zum Beispiel die eines schattenverträglichen Duftpflanzenbeetes, angehoben auf Nasenhöhe. Sind die Bäume noch klein, so lassen sie eine Zeit lang auch genug Sonne für ein Gemüse- oder Kräuterbeet hindurch.
BAUMSCHATTEN
Der Bereich unter Bäumen ist an ganz spezielle Bedingungen gebunden, die von vielen Faktoren beeinflusst werden. Handelt es sich um einen Jungbaum, bei dem noch genügend Sonne den Boden erreicht, oder um einen Altbestand, der kaum Licht durch seine dichten und weit nach unten abgesenkten Äste lässt? Ist der Baum durch lockeren Wuchs und relativ kleine Blätter gekennzeichnet, wie es bei Birken der Fall ist, so bietet der lichte Schatten akzeptable Bedingungen für Bodendecker – anders als etwa beim Nussbaum, wo sich ein großes Blatt nach dem anderen bildet und so ein blickdichtes Kronendach entsteht, das nicht einmal mehr genug Licht für Schattengräser zulässt.
EIN SCHATTEN IST MESSBAR
Um den diffusen Begriff „Schatten“ zu erhellen, ist die physikalische Größe der Beleuchtungsstärke (Einheit Lux) hilfreich. Die untere Grenze, bis zu der Rasen im Schatten noch Sinn macht, liegt bei 300 Lux. Zum Vergleich: Ein wolkenloser Sommertag in unseren Breitengraden hat etwa 70.000 bis 100.000 Lux, ein bewölkter Himmel lässt immerhin noch 25.000 bis 30.000 Lux durch. Im Nebel sinken die Werte auf 2.000 bis 3.000 Lux. Unter der Krone eines dicht belaubten Wahlnussbaumes kommt man an einem sonnigen Tag bereits an die kritische Grenze von 300 Lux. Aussichtslos scheint es unter einer Hängeblutbuche (Fagus silvatica ‘Purpurea Pendula’) zu sein, wo Werte um 180 Lux gemessen wurden.
WURZELTYPEN
Die Bildung von Wurzeln ist ein komplexes Thema und entscheidend bei der Gestaltung von Baumscheiben und der Suche nach dem richtigen Material. Grundsätzlich stellt sich die Frage, wie weit sich die Wurzeln eines Baumes ausbreiten. Als Faustregel gilt: Wurzeldurchmesser ist gleich Kronendurchmesser. Doch hängt es auch von der Bodenbeschaffenheit ab. In einem mageren, durchlässigen und lockeren Boden wird der Baum seine Wurzeln weiter aussenden als in einem nährstoffreichen lehmigen Untergrund, um sich besser zu verankern und genügend Nährstoffe aufnehmen zu können. Tiefwurzler wie Stieleiche, Esche oder Föhre haben eine senkrecht nach unten wachsende Hauptwurzel und bieten günstige Bedingungen beispielsweise für Bodendecker. Bei Baumarten, die zu den Flachwurzlern zählen, wie Fichte, Robinie oder Vogelbeere, liegen die Wurzeln hingegen knapp unter der Erdoberfläche und treten manchmal auch aus dem Boden hervor. Sie stehen in direkter Konkurrenz mit den anzusiedelnden Pflanzen, ziehen Nährstoffe und Wasser ab und machen ihnen den Platz streitig. Auch das Alter spielt eine Rolle: So bilden junge Eschen zur Erlangung einer besseren Standfestigkeit senkrechte Wurzeln aus, während alte Eschen Flachwurzler sind.
BEDINGUNGEN UNTER BÄUMEN
Chronischer Lichtmangel, durch Wurzeln verdichteter Boden und andauernde Trockenheit unter dem dichten Kronendach sind äußerst ungünstige Bedingungen, um Stauden oder niedrige Zwerggehölze anzusiedeln. Das regelmäßige Auslichten der Baumkrone, ein gezielter (komplett oder teilweise vollzogener) Bodentausch, regelmäßige Düngegaben und idealerweise eine Tröpfchenbewässerung sind gute Maßnahmen, um die Situation nachhaltig und dauerhaft zu verbessern. Das kommt nicht nur den Bodendeckern, Gräsern oder Zwerggehölzen zugute, sondern natürlich auch dem Baum selbst. Eine Mulchdecke etwa aus Holzhäcksel oder Rinde hilft, die Bodenverdunstung zu minimieren. Ein weiterer wichtiger Punkt bei sommergrünen Bäumen ist der Laubfall im Herbst. Er ist eines der Kriterien bei der geeigneten Pflanzenauswahl.
LAUBSCHLUCKER
Unter Bäumen sind vorzugsweise solche Bodendeckerpflanzen zu verwenden, denen die herbstliche Abdeckung mit Falllaub nicht schadet. Das Laub versinkt zwischen den Pflanzen und wird am Boden zu Humus umgewandelt. Die Waldpflanzen unter den Blattschmuck- und Blütenstauden, wie zum Beispiel Waldmarbel (Luzula sylvatica), Immergrün (Vinca), Taubnessel (Lamium), Lungenkraut (Pulmonaria), Elfenblume (Epimedium), Günsel (Ajuga), Storchschnabel (Geranium) oder Frühlingsplatterbse (Lathyrus vernus), fühlen sich umso wohler und entwickeln sich prächtig. Dieser Aspekt gewinnt vor allem bei großen Flächen an Bedeutung und bringt eine enorme Erleichterung in der Pflege.
SPANNENDE BEETGESTALTUNG MIT FARNEN
Baumscheiben in Kombination mit Waldpflanzen sind immer eine Überlegung Wert. Farne nehmen darin eine Sonderstellung ein, weil keine andere Staude so eng wie der Farn mit dem Wald und mit Bäumen assoziiert wird. Farne passen auch von ihren Ansprüchen her bestens zu den schwierigen Bedingungen unter Bäumen: Die interessante Textur ihrer Blätter vom Entrollen im Frühling bis zur vollen Entfaltung im Herbst lässt Baumscheiben, die mit ihnen bepflanzt werden, das ganze Jahr über attraktiv aussehen. Die Sortenfülle mancher Farn-Arten ermöglicht einen großen Gestaltungsspielraum. Durch Sorten mit verfeinerten Blattstrukturen und ungewöhnlichen Farbverläufen können spannende Beete gestaltet werden. Ihre explizite Verwendung ist das „Markenzeichen” mancher Gartengestalter.
SPEZIALISTEN UNTER SICH: GEOPHYTEN
Während schattenverträgliche Bodendecker für eine einheitliche, ganzjährige Pflanzendecke sorgen, bringen Geophyten Abwechslung in die Pflanzgestaltung. Sie passen thematisch perfekt ins Bild, kommen sie doch auch in der Natur im Wald vor. Geophyten sind die Frühaufsteher und Sprinter, denn während sich die ersten Laubknospen der Bäume nur gemächlich öffnen, sind Winterling (Eranthis hyemalis), Bärlauch (Allium ursinum), Schneeglöckchen (Galanthus) oder Buschwindröschen (Anemone nemorosa) bereits am Ziel und mit der Samenreife am Ende ihres Jahreszyklus. Durch sie holt man sich an einer exponierten Stelle, eben der Baumscheibe, den Frühling in den Garten. Eine Durchmischung von Geophyten mit Bodendeckern bereichert die Szenerie und kann auch farblich einheitliche Akzente setzen.
Daniel Böswirth
Absolvent der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Wien-Schönbrunn. Neben der Gestaltung von Grünflächen sind das Gestalten mit Kunst- und Naturstein und der Bau von Teichen und künstlichen Wasserläufen Schwerpunkte seiner Arbeit. 1995 gründete der Fotograf, Journalist und Buchautor gemeinsam mit Alice Thinschmidt ein eigenen Bildarchiv zum Thema Garten.
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